vom: 10. August 2021, 09:41:09 »
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Reise in die Vergangenheit
Gibt es einen vernueftigen Grund mit der Eisenbahn von Pretoria nach Kapstadt
zu reisen,dabei 3 Tage/2 Naechte auf 16 m2 "eingepfercht" zu sein und dafuer ( als
Paar) knapp 4.000 Euros auszulegen ?
Die Flieger sind in 2 Stunden am Ziel und das Ticket kostet ca.100 Euros.
Ja diesen Grund gibt es - und der heisst Nostalgie.
Am Abfahrtbahnhof erwartet man sich waschechte Buren,die im restaurierte Ge-
baeude die Fahrgaeste erwarten und herrisch irgendwelche Sklaven anordnen,den
Herrschaften behilflich zu sein,waehrend die antike Dampflokomotive BJ 1886 dam-
pfend und pfauchend,ein beliebtes Fotomotiv darstellt.
Die Buren gibt es nicht und auch nicht die Schwarzen.
Nach dem Begruessungsdrink gleitet man in den Wartesaal.Und der laesst keinen
Vergleich mit dem Wartesaal des Bahnhofs Puerbach- Schrems zu.
Bequeme Sitzgelegenheiten,ein kleiner Gift-Shop,wo man kleine Souveniers kaufen
kann,wo aber auffaellt,dass die Vitrinen versperrt sind und die Schluessel abgezogen.
Die Reisegesellschaft (meist internationales Publikum),gehoeren zu 90 % der goldenen
Generation an.Silbern glaenzt das spaerliche Haupthaar bei den Herren,die zum dunkel-
blauen Blazzer bordeauxrote Hosen anhaben und blankgeputze Schuhe "shinen".
Die Haarpracht der Damen ist oft weiss-blaeulich und dauerwellendomestiziert.
Die aelteren Herrschaften haben groessere Muehe,die Waggons zu besteigen.Das mues-
sen sie alleine oder mit Mithilfe anderer Reisender selbst schaffen.
Aber mal im Waggon,umgibt einem ein prachtvolles Interieur.
Poliertes Mahagoni,Chesterfieldsofas,brokatbezogene Fauteuils,goldschimmernde Vor-
haenge u.s.w. vermittelt den Reisenden, der oberen Gesellschaftsschicht anzugehoeren.
Sieht man sich das Amenity - Kit an,wird man vielleicht davon abkommen,bei nachts
die Massschuhe vor die Coupe - Tuere zu stellen,denn im Kit ist auch Schuhcreme
verpackt,neben Naehzeug und Sicherheitsnadel.Und das duerfte einen Grund haben.
Es kann natuerlich nur Personalmangel sein oder ist es ein Nachlaeufer der Abartheid-
zeit ?
Nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hat,bleibt er nach einer Stunde schon
wieder stehen.Die Dampflok wird gegen eine leistungsfaehige E- Lok ausgetauscht.
Auf der Fahrt bis dahin,bewundert man die Dark-side von Pretoria/Johannesburg.
Wellenblechhuette an Wellenblechhuette,unverputze Betonmauern,stinkende Gewaes-
ser,wo Unrat schwimmt und dazwischen farbenfrohe,hellleuchtene Kleider der dort
lebenden Einwohnerinnen.
Die Reisenden haben sich inzwischen "eingewoehnt",studierten das Welcome - Schreiben
der Eisenbahngesellschaft,wo darauf hingewiesen wird,weder den Zug noch das Um-
land durch eine weggeworfene Zigarette abzufackeln und ja nicht zum Dinner ohne
"Collar,Tie und langen Hosen zu erscheinen.Die Damen haben es bei der Kleiderwahl
etwas freier.
Das Dinner ist der Hoehepunkt des Tages.Feinste Speisen stehen zur Auswahl und
silbernes Besteck ist ausgelegt.
Es empfiehlt sich nicht,den eigenen Besteckkasten aufzufrischen,denn das Service-
personal hat da scharfe Augen und es koennte sich eine unerfreuliche Konversation
ergeben,wenn ....
Der Zug hat mittlerweile eine semi-dessert gepraegte Landschaft erreicht.
Bretteleben,schuettere braune Vegetation,weder Elefant,Loewe oder Giraffe weit und
breit.
Auch bis zum Fruehstueck,das nicht zu bemeckern ist,ist die Landschaft gleich ge-
blieben.
Das gibt Gelegenheit,unter den deutschen Reisenden einen Gespraechsfaden aufzu-
nehmen,der meist so beginnt:" Also,in Deutschland gaebe es das nicht.Da waere ein
kurz geschnittener Rasen mit bepflanzten Blumenbeeten zu sehen".
( Zur Erinnerung,das Gebiet ist mehrere 10.000 Km2 gross)
Damit kann man das Trostvolle am Gespraech heraushoehren,was sich aendern wuerde,wenn die Deutschen die Weltherrschaft uebernommen haben.
Der Besuch der stillgelegten Diamantmine in Kimberley mit dem Deep Hole ist ein
weiterer sehenswerter Stopp auf der Reise.
Nach der Weiterfahrt und nach dem Lunch,stellt sich wieder das gewohnte Bordleben
ein.
Ein Mittagsschlaefchen da,ein Drink dort im Lobbywaggon und dann wartet alles auf
das Dinner.
Endlich am Tag 3 der Reise wird es interessanter.
Nach dem Besuch eines sehr gepflegten Staedtchen aus der Burenzeit aendert sich
die Landschaft.
Die Auslaeufer des Kapgebirges sind erreicht und davor/dazwischen das gruene Tal,
wo der suedfafrikanische Wein waechst.
Leider bleibt da der Zug nicht stehen,sondern eilt den Bahnhof in Kapstadt zu.Um 16 h
muss das Ziel erreicht sein,denn die Eisenbahngesellschaft will sich den "five o'clock-
tea und auch das abendliche Dinner ersparen.
Ist das Luxus ? - Nein,der ist anderswo zu finden.
Jock