Der Prokurist,der die Zeit anhielt.
1963 hatte ich die erste Sprosse der Karrierenleiter erreicht.
Ich war 19 Jahre alt und Abteilungsleiter des Sohlenlederlagers und
des Chemikalienlagers und mir unterstanden 3 Mitarbeiter.
Von nun an,wird es steil nach oben gehen.Erst werde ich einen neuen
Firmenmercedes bekommen und dann werde ich eine alte noble Villa
in Hietzing kaufen und friedlich mit meiner Familie leben.Ohne Sorgen
und ohne Aufregungen.
Jahre werden kommen und gehen,immer im gleichmaessigen Takt.
Diese Vision,die damals der Traum vieler Familien war, ist doch nicht eingetroffen und von mir bald verworfen,nachdem ich "meinen"Pro-
kuristen naeher kennengelernt hatte.
Der Board der Firma bestand aus Einkaufsdirektor,sein Prokurist,
Finanzdirektor,Verkaufsdirektor,Werksdirektor und Verkaufsdirektor.
Ihre Bueros waren aufgefaedelt im II.Stock und dort herrschte Toten-
stille.Dann und wann huschte eine Sekretaerin ueber den Flur,vom
oder zum Diktat.
Da es in der Firma ueblich war,dass Angestellte weisse Arbeitsmaentel
trugen und Arbeiter blaue,waren auch die Direktoren so gekleidet.
Die Stimme des Prokuristen am Telefon beorderte mich in sein Buero.
Ich checkte noch mein Suendenregister,doch da war nichts,worueber
ich mir Sorgen machen sollte.
Nach dem "Herein" betrat ich sein Buero.Dunkel getaefelt,ein Einbau-
schrank,maechtiger Stuhl und ein grosser Schreibtisch auf dem seit
vielen Jahren eine Mappe lag.
Er stand mit am Ruecken verschraenkten Haenden vor dem Fenster
und blickte auf den Fabrikshof.
Ist alles in Ordnung,frug er und als er hoerte,dass alles o.k.ist,
war ich wieder entlassen.
Jede Woche musste ich antreten und jede Woche das selbe Spiel.
Mit der Zeit wurde er zutraulicher und erzaehlte von seinem Privat-
leben.
Er war ein Lederfachmann und ist seit Jahrzehnte hier.Verheiratet
mit eine Fabrikantentochter und wohnhaft in einer kleinen Villa
in einem Nobelbezirk.Sie waren kinderlos und sammelten teure
Perserteppiche.
In zwei Jahren wuerde er in Pension gehen,worauf sich seine Frau
schon freute und dann wuerden sie das Leben geniessen.
Das heisst,sie wuerden in ihrem Wohnzimmer mit verschraenkten
Haenden am Ruecken vor dem Fenster stehen und in den Garten
blicken.
Die Stille wuerde nur unterbrochen durch den Gong der Pendel-
uhr und der Eurovisionfanfare vor EWG mit Kulenkampff.
Nach und nach erkannte ich,dass ein solches Leben doch nicht
meines waere.Hinaus in die Welt,sprich Wien und den Stuermen
Paroli zu bieten,war meine Zukunft.
Man kann jetzt meinen,diese Schilderung ist 60 Jahre alt.Heute ist
ein anderer Zug der Zeit unterwegs.Aufgeschlossen fuer Neues,
Neugierig fuer die neue Zeit u.s.w.
Und doch gibt es Zeitgenossen,die ein solches stilles Leben leben.
Ein bekanntes Paar,er Beamter,sie Thai,wohnen in einer Wohnung
mit Blick auf die U 4.Kein Sonnenlicht dringt durch die Gardinen-
vorhaenge und die Wohnung ist piccobello aufgeraeumt.Alle Be-
sucher muessen die Schuhe ausziehen und frisiert wird in der Kueche.
Auf die Minute genau verlaesst der Kamerad die Wohnung und auf
die Minute genau kehrt er am Nachmittag wieder.
Ausser zum sonntaegigen Tempelbesuch,verlassen sie die Wohnung
nicht und besuchen weder die Donauinsel (Treffpunkt der Thais)noch
nehmen sie private Einladungen an.
Urlaube verbrachten sie in Ban Krut,aber da wurde es ihnen zu laut
und zu trubelig.Sie suchten einen ruhigeren Urlaubsort,wo es nicht so
von Menschen wimmelt.
Wenn jemand ein solch stilles und zurueckgezogenes Leben fuehrt,
sei es ihm vergoennt.Vielleicht verarbeitet es damit ein traumat-
isches Ereignis,wie den Anblick einer nackten Frau.
Aber eine Thai ? Mir kommt vor,sie sind eher extrovertiert,schnattern
den ganzen lieben Tag und sind einen Sanuk nicht abhold.
Wie haelt diese Frau so ein Leben nur aus ?
Joc