Herodot - Alexander von Humboldt - Jock von Jockstein
Als Herodot und Humboldt von ihren Reisen zurueckkamen,beschrieben sie ihre
Erlebnisse und hielten Vortraege ueber die Sehenswuerdigkeiten jener fremden
Laender,die fuer ihre Landsmaenner meist unerreichbar waren.
Jock wollte es ihnen gleichtun und machte sich mit 23 Jahren auf,in die Welt zu
gehen und ueber das unerforschte Deutschland,Frankreich und Italien,seiner Fam-
ilie zu berichten,sollte er ueberhaupt lebend zurueckkommen.
Fuer so ein Abenteuer ist man mit 23 Jahren im besten Alter.Man ist neugierig,uner-
schrocken und sprachlich mit "Bonjour","Merci",sowie "Buon Giorno" und "Grazie"
bestens geruestet.
3 junge Maenner und eine junge Frau machten sich eines Augusttages auf die
grosse Reise und liessen neidvolle Angehoerige zurueck.
Als wir mit dem alten Fordcombi Deutschland durchquerten,fuehlten wir uns sicher
und weltgewandt,denn wir schafften es ohne Probleme unser Auto volltanken zu
lassen.
Als wir den Rhein uebersetzten und in Frankreich einreisten,dunkelte es schon und
wir hatten Hunger.
Bei einem Gasthof,dessen warmes Licht auf die Strasse fiel,stoppten wir und studier-
ten die aushaengende Speisekarte.Mit Hilfe des franzoesisch/deutschen Woerter-
buchs haetten wir auch etwas gefunden,was wir essen konnten,doch die Preise !
Zum Glueck fanden wir noch einen offenen "Tante Emma- Laden",wo wir die letzten
Baquette erstanden und dazu 2 Dosen Cornet Beef,sowie ein paar Flaschen Bier.
Naechsten Tag erreichten wir Paris und fanden in der Naehe des Eiffelturms ein
kleines Hotel.
Wir bestaunten den Eiffelturm,besichtigten Notre-Dame von aussen und schlender-
ten die Champs Elysees hinunter.
Immer aengstlich bedacht,den Augenkontakt untereinander nicht zu verlieren,denn
wir hatten nur einen einzigen Stadtplan.
Nach Paris fuhren wir Richtung Sueden,um endlich,zum ersten Mal,das Meer zu
sehen und zu riechen.Nach 1 1/2 Tagen Fahrt kamen wir in Marseilles an.
Marseilles kannten wir aus den "Allan Wilton" - Kriminalromanen und wussten da-
her,wie gefaehrlich die Stadt ist.Daher fuhren wir bald weiter zum schoensten Teil
der Reise - der Riviera.
Wenn der liebe Gott auf Erden Urlaub machen sollte,dann hier.Links die Berge,rechts
die Kueste des ewig blauen Meeres,die alten Villen mit hoelzernen Fensterlaeden,die
bluehenden Oleanderstraeuchen in den Gaerten und die hochprofessionelle Gastro-
nomie.
Wir Maenner konnten uns nicht sattsehen,doch die junge Frau hatte ihre Augen in
einem 3-Groschenroman und wuerdigte die herrliche Landschaft keines Blickes.
Da riss ihrem Freund die Geduld und herrschte sie an,doch zu Schauen,denn nie-
mand weiss,ob er oder sie,jemals wieder dort sein werden.
Zu dieser Zeit,noch weit vor dem uebersteigerten Massentourismus,hatten wir das
Gefuehl,etwas Einzigartiges zu erleben,wovon wir noch den Enkelkinder erzaehlen
werden.
Das nahm ich mir auch vor und wollte den staunenden Enkel von der Reise dereinst
erzaehlen.
Ich werde so beginnen - Als ich von der Avenue Foch zur Champs Elysees einbog,
am Arc de Triumph vorbei,die Strasse hinunterschlenderte,in die Auslagen der feu-
dalen Geschaefte von Louis Vuitton und Guerlaine blickte und die wunderbaren,pracht-
vollen Haeuser-Ensemble bewunderte ....
wuerde mich die 11 jaehrige Sophie unterbrechen und mich fragen,ob ich auch beim
McDonalds eingekehrt bin,weil dort auf der Champs der beste Big Mac zu haben ist,
wie sie selbst festgestellt hat.
An der Stelle wuerde ich meinen Vortrag abbrechen und mich in mein Ausgedinge zu-
rueckziehen.
Meinen aelteren Enkeln versuchte ich erst gar nicht,ihnen von meiner Reise zu be-
richten.
Der aeltere Enkel wuerde mich belehren,dass der Sonnenuntergang auf Bora-Bora
ein besonders farbenpraechtiges Schauspiel ist und der juengere gaebe mir Tipps,
wie man bei Rush-hour die U-Bahn in Tokyo,ohne erdrueckt zu werden,benuetzt.
Herodot ist tot,Humboldt ist tot und der Jockstein ist auch bald tot.Von Herodot und
Humboldt wird man auch in Zukunft noch etwas lesen koennen,vom Jockstein nie
mehr.
Jock
p.s. Die Befuerchtungen meines Reisekameraden,nie mehr wieder die Riviera zu
sehen,trat ein.
Gleich nach dem Konkurs seiner kleinen Handtaschenmanufaktur,heiratete er und
arbeitete Jahrzehnte in der Gartenabteilung eines Baumarktes.
Statt in Monaco beim Rosenball dabei zu sein und in Ventimiglia Schampus zu kau-
fen,verbrachte er seine Urlaube in seiner Schrebergartenhuette in Essling.