vom: 20. August 2016, 08:48:42 »
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Ja,ich erkannte die Dame sofort.Sie hat sich in all den
Jahren,die zwischen der damaligen Begegnung lagen kein
bisschen veraendert.
Wie damals,schlank,1,79m gross,modebewusst,wacher Blick
und schneller Gang und damals bereits 91 oder 92 Jahre alt.
Ihr Name Elisabeth Heller geb. 9.8.1914 und eine Zeitzeugin,
eines Jahrhunderts,wo Kriege,Zerstoerung,Vertreibung und auch
Wiederauferstehen und Fortschritte die markanten Ereignisse
waren und wo sich menschliche Schicksale in seltsamsten Maeander-
linien fuegten oder auseinander liefen.
Elisabeth wurde in ein gutbuergerliches Haus hineingeboren,wo
ihre Mutter das Sagen hatte.Ihren Mann verabschiedete sie noch
vor der Geburt ihrer Tochter und so kam es,dass das Maedchen im
Laufe der Jahre viele "Vaeter" hatte.
Ihre Mutter,die eine von Adolf Loos umgebaute Villa in Hietzing ihr
eigen nannte,fuehrte einen offenen Haushalt und begruesste als
Gaeste,Kuenstler und Literaten die in der Kulturszene damals beherr-
schend waren.
Nach dem Gymnasium schickte man die Elisabeth zum Sprachen-
lernen fuer ein Jahr in die Schweiz und aeugte nach ihrer Rueckkehr
nach einer "guten Partie"
Man fand einen standesgemaessen Mann,den Elisabeth heiraten
soll und auch heiratete.
Als die Hochzeit 1933 stattfand,war Elisabeth gerade 19 Jahre alt
und ihr Ehemann gut 20 Jahre aelter.
Er war Mitbesitzer einer der groessten "Zuckerlfabriken" und hiess
Stephan Heller.Ein kleiner dicklicher Mann,typischer Fabrikant,Jude,
der zum Katholizismus konvertierte und der die Vertreter des Austro-
faschismus mit hohen Geldbetraegen unterstuetzte.
Aber nicht nur die,besonders hohe Geldueberweisungen gingen nach
Italien zu Mussolini.
Elisabeth hatte alles an irdischen Gueter.Eine prachtvolle Wohnung,
Auto mit Chauffeur,Koechin und Dienstmaedchen.Ihr Mann verbot ihr
zu arbeiten und sie langweilte sich sehr,da er staendig auf Reisen war
und die Fabriksniederlassungen in Paris,Rom London und sonst wo
leitete.
1934 kam ihr erster Sohn zur Welt,trotzdem war die Ehe bruechig ge-
worden, hielt aber bis 1938.
1938 stand die SA in der Wohnung,raubte alle Wertgegenstaende
und verhaftete Stephan Heller,da er gebuertiger Jude war.
Bevor er noch ins KZ verschickt wurde,wandte sich Mussolini an Hitler
und bat um Freilassung.
Der Bitte wurde stattgegeben und noch am Tag seiner Freilassung,
plante Stephan Heller seine Flucht.
Er liess sich von seiner Frau scheiden,nachdem er ihr alle Aktien
seiner Firma uebertragen hatte und hoffte so,das Werk vor einer Ari-
sierung gerettet zu haben.Sodann begab er sich,ohne Frau und Kind
ueber Italien nach London,wo er zum Verbindungsoffizier zwischen
De Gaulle und den Alliierten aufstieg.
Die "Zuckerlfabrik" beschaeftigte 1.400 Arbeiter und war auf einem
18.000 m2 grossen Gelaende errichtet.
Die Uebertragung der Firmenanteile an Elisabeth halfen nicht und
alles wurde "eingezogen".
Bis 1945 hatte Elisabeth keinen Kontakt zu ihren(geschiedenen) Mann
musste selbst fuer sich und ihr Kind sorgen.In diesen Jahren arbeitete
sie in einem Spital und war sich nie sicher,nicht eines Tages verhaftet
zu werden.
1945 traf sie ihren Mann wieder.Er stand eines Tages als amerikanischer
Offizier vor ihr und sie heirateten erneut.Er blieb nur kurze Zeit in
Wien,dann zog es ihn wieder nach London und Paris,wo er Wohnungen
hatte.
Elisabeth musste in Wien bleiben und Begegnungen mit ihrem Mann
waren auf 3 Wochen im Jahr beschraenkt.
Waehrend eines Urlaubes mit ihrem Mann in Montreaux wurde der 2.
Sohn gezeugt.
Sein Name ist Francis Charles Georges Jean-Andre' genannt Franzi.
Dass waehrend des Zeugungsaktes ein Erdbeben zu spueren war,
erzaehlt Andre Heller noch heute gerne und mit Genuss.
Da Stephan Heller nicht bei seiner Familie lebte,suchte sich seine
Frau Arbeit und fand sie als Modeberaterin bei einem damals be-
kannten Modesalon der Designerin Gertrud Hoechsmann,wo sie
bis zum Pensionsalter blieb.
Nach muehvollen Verhandlungen,wurde die "Zuckerlfabrik" 1950
wieder der Familie uebertragen und der Wohlstand kehrte zurueck.
Frau Heller bezog die Villa ihrer Mutter,lebte zeitweise mit ver-
schiedenen Partnern zusammen und blieb Witwe nach dem Tod
ihres Mannes.
Ihr Augenstern,war Franz.Mittlerweile ein junger Mann,der den
ganzen Tag auf dem Sofa lag und darauf wartete,beruehmt zu werden.
Und er wurde beruehmt.Andre' Heller ist ein wichtiger advantgard-
istischer Kuenstler und mittlerweile sogar weltberuehmt.
Auch im hoeheren Alter ist der Terminkalender von Elisabeth Heller
voll.Da ein Treffen,dort eine Veranstaltung,hier ein Konzert und
die Premiere einer Opernauffuehrung,die man nicht versaeumen
darf.
Auch Reisen stehen auf dem Programm und Aufenthalte im pracht-
vollen Anwesen ihres Sohns am Gardasee.
Nur einmal kam sie in eine brenzliche Situation am Flughafen in Dubai.
Dort wurde sie festgehalten,da ihr Pass offensichtlich gefaelscht schien.
2012 war es,und die Beamten konnten es nicht verstehen,dass eine
98 jaehrige,ohne Stock und Begleitung,in modischer Eleganz auftretend,
es sich wirklich dabei um die 98 jahrige Elisabeth Heller handelt.
Am 9.8. 2016 feierte sie den 102.Geburtstag,immer noch ruestig,wach
und an allem interessiert,was um sie herum geschieht.
Und da will ich es nicht versaeumen,Ihnen gnaedige Frau,auf diesem Wege
meine herzliche Gratulation zu uebermitteln.
Jock