vom: 28. Juli 2019, 09:17:01 »
________________________________________
Der erfrorene Traum
Ich hatte in meinem Leben nie Vorbilder.Nie wollte ich unbedingt Minister werden,ein be-
ruehmter Kuenstler oder gefeierter Weltrekordler.
Nur bei einem Menschen wurde ich schwach und wollte gleichfalls dieses Leben fuehren.
Es war in den 70gern,als ich ihn in einer Fernsehsendung sah.
Von seinem Katamaran sprang er ins tuerkisene,suedpazifische Meer,holte sich ein Fisch-
lein fuers Abendessen heraus.Tauchte nach Muscheln und liess sich anschliessend von der
Sonne trocknen.
Das muss ein Leben sein !
Frei wie der Vogel,kein Termindruck,keine laestigen Steuererklaerungen,einmal da,einmal
dort,wo man zwischen den Palmen eine Haengematte spannen kann und junge,huebsche
Asiatinnen einen Drink servieren.
Fuer so ein Leben bereitete ich mich vor.
Ein Urlaub auf einer Mototjacht - super,ein weiterer Urlaub auf einer Segeljacht - doppelt
super.
Unvergesslich die Sonnenuntergaenge und das Seemannsgarn,das unser Skipper bei einem
kaltem Bier spann.Das Tauchen in einer einsamen Bucht,irgendwo in den Kornaten wobei
man freundlichen Meeresbewohner zuwinken konnte.
Und abends im kleinen Hafen,wo der Duft der auf dem Grill liegenden Cevapcici und Pljes-
kavica einen verheerenden Reiz auf den leeren Magen ausuebte.
Jedoch,wenn man so ein Leben fuehren will,sind nautische Kenntnisse unabdingbar.
Also schrieb ich mich am Neudiedlersee zu einem Segelkurs ein.Trotz Spaetsommer und da-
her etwas windig,brachte ich alle Jollen ohne zu Kentern an den Steg.
Fuer die Segelpruefung war es aber zu spaet und sollte naechstes Fruehjahr abgelegt werden.
Im November war es schon kalt,nebelig und wenn ich aus dem Buerofenster schaute,taum-
elte schon die eine oder andere Schneeflocke vom Himmel.
Mein Gott,dachte ich,warum bin ich noch da und nicht auf Tahiti,habe Schwimmshorts an und
Sandalen und bin braun,wie die Staemme der Palmen ?
Um rasch meinem Traum naeher zu kommen,schrieb ich mich in einem "B-Kurs" ein.Ueber die
Wintermonate nautisches Wissen pauken,dann im Fruehjahr die Pruefung und ab in die Freiheit.
Ich hatte keine Hoffnung,das alles zu begreifen,aber alleine das Hineinschnuppern linderte
die Sehnsucht auf die Freiheit der Meere.
Als ich nach einer Uebungsarbeit fertig war,ging ich hinaus,um eine Zigarette zu rauchen.
Draussen stand ein riesenhafter Kerl mit strenger Brille,der sich als "Konrad" vorstellte.Auch
er hatte mit der Berechnung des Stromdreiecks keine Schwierigkeiten.
Meine Pruefungsarbeit war die Zweitbeste und so bot man mir an,doch einen Ausbildungsturn
entlang der jugoslawischen Kueste zu absolvieren,auch um Meilen zu sammeln.
Teuer war er nicht,Urlaub hatte ich auch und der Vorschuss auf den Sommer reizte mich so,
dass ich buchte. Die letzten zwei Aprilwochen waren dafuer vorgesehen.
Am Sammelpunkt in Caorle traf ich Konrad wieder.Er hatte ein Boot am Neusiedlersee,wollte
aber auch die Kuestengewaesser befahren.
Wir bildeten ein Team,schliefen in einer Koje und wenn ich am Ruder stand,navigierte er und
umgekehrt.
Als wir von Caorle absegelten,sah ich die Sonne zum letzten Mal.Dafuer machte ich Bekannt-
schaft mit einer eisigen Bora und der Gischt,wenn wir eine Welle schneiden mussten.
Ich,als Landratte war nicht entsprechend ausgestattet.
Niemand sagte mir vorher,dass ich einen Skianzug,Handschuhe und eine Sturmhaube und einen
wasserdichten Overall einpacken soll,um zu ueberleben.
Meine Jeans war einfach zu duenn,der Pullover zu winddurchlaessig und meine mitgenommenen
Badehosen,ruehrte ich kein einziges Mal an.
Die Kaelte kroch mir von den Zehen bis in die Haarspitzen.Aufwaermen,indem ich unter Deck
ging,war nicht moeglich,weil ich unten sofort seekrank wurde.
Nur Konrad schien von der Kaelte nicht beeindruckt zu sein.Er stand wie eine Eiche am Ruder
und pfiff sich ein Liedchen.
Monate spaeter trafen wir uns bei einem Seglertreffen wieder.Der Eiszapfen in mir war noch im-
mer nicht weggetaut und so fragte ich Konrad,ob er nicht auch gefroren hat.
Ja,antwortete er,saukalt war es und deswegen habe ich meine lange Unterhose 2 Wochen auch
nicht gewechselt.
Prof.Dkfm.Dr. Konrad F. war Generaldirektor einer grossen Bank.
Er gab seine lange Unterhose nicht mehr zum Waschen sondern entsorgte sie diskret in der Nacht.
Ich selber war seither nicht mehr auf See.Mein Traum ist in diessen zwei Wochen erfroren.
Jock