vom: 30. Dezember 2019, 11:23:43 »
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Der Wiener Hausmasta und sein Sperrsechserl
Waehrend der Gruenderzeit kamen aus allen Teilen der Monarchie Menschen nach Wien,die dort
Brot und Arbeit suchten.
Da sie auch Wohnungen benoetigten und Wohnraum spaerlich vorhanden war,sahen die besseren
Kreise Moeglichkeiten,daran gut zu verdienen und investierten in Zinskasernen.
Speziell,aber nicht nur dort,entstanden in Ottakring,Hernals,Fuenfhaus,Meidling u.s.w. Wohn-
haeuser,die sich dadurch auszeichneten,dass moeglichst viele Wohnungen untergebracht sind
und daher klein waren.
Hingegen wurden in den besseren Bezirken (Alsergrund) Patritzierhaeuser errichtet,die gross-
zuegige oft 10 Zimmerwohnungen und am Dach noch ein Atelier aufwiesen und meist auch vom Hauseigentuemer bewohnt wurden.
Draussen,jenseits des Guertels,mussten daher Personen gefunden werden,die fuer die Besorg-
nisse eines Miethauses zustaendig waren.
In den innstaedtischen Wohnhaeusern,nannte man diese Personen,Portiere oder Concierge und
hatten ein anderes Standesbewusstsein,als die Kollegen in den aeusseren Hieb.
Die Geburtsstunde des Hausmeisters war gekommen.
Er war zustaendig,dass die "Hausordnung" eingehalten wurde und streng darauf achtete,dass
das Haustor zwischen (21 h) 22 und 6 h versperrt war.
Die Mieter der Wohnungen hatten naemlich kein Anrecht auf einen eigenen Haustorschluessel
und waren daher gezwungen,nur Nachtzeit eingeschlossen zu sein.
Wer nach 22 h noch nicht zu Hause war,war ein Lump oder Tunichtsgut,so die allgemeine Meinung.
Verspaetete man sich doch,musste der Hausmeister herausgelaeutet werden um das Haustor
aufzusperren und fuer diesen Dienst hatte man 6 Kreutzer(20 Heller) zu berappen.
Fuer 20 Heller bekam man einen Laib Brot oder heutzutage waeren es 4 Euro( vor Mitternacht)
und 4,50 Eure,wenn der Hausmeister nach Mitternacht benoetigt wird.
Das war viel Geld annodazumal und um die Bevoelkerung nicht zu belasten,wurden alle Veran-
staltungen so terminisiert,damit die Besucher noch rechtzeitig nach Hause kommen konnten.
Das Sperrsechserl war sogar ein Teil seiner Entlohnung.Der andere Teil war die freie Wohnung
und das Reinigungsgeld.
Damals hatte der Hausmeister keinen gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich und musste die
Anordnung des Hausherren befolgen.
Auf der anderen Seite war er eine maechtige Persoenlichkeit,die oftmals bestimmte,wer in das
Miethaus einziehen darf oder er konnte sogar Kuendigungen aussprechen.
Bevor er jemanden in eine freie Wohnung einziehen liess,verhoerte er den zukuenftigen Mieter.
Wer er sei,ob er verheiratet ist,wieviele Kinder er hat,wieviel er verdient und ob er einen Hund
oder Kanarienvogel hat.
Da die Hausmeisterwohnungen meist im Erdgeschoss liegende,finstere "Loecher" waren,war
meist die Hausmeistertuer geoeffnet und er konnte genau beobachten,was im Hause vorgeht.
Auch die Belueftung einer Hausmeisterwohnung war meist mangelhaft und die Duefte die ihrer
entstroemten,sorgten regelmaessig fuer Aufruhr unter den Mietern.
Schon deswegen,hatten Hausmeister ein schlechtes Image und da sie auch als verlaengerter
Polizeiarm fungierten,waren sie von Anfang an verhasst.
Entwuerdigend fanden die Mieter vor allem,dass sie keinen eigenen Haustorschluessel hatten,
doch alle Bemuehungen,dieses Recht zu erwirken,gingen lange ins Leere.
Die staatliche Obrigkeit sah es als notwendig an,die Heerscharen des Proletariats waehrend der
Nacht sicher verwahrt zu wissen.
Victor Adler und seine Sozialdemokraten sahen einen eigenen Haustorschluessel als wichtigen
Baustein fuer die Befreiung aus der Knechtschaft des Proletariats an.
Es dauerte allerdings bis 1922,bis ein Bundesgesetz erlassen wurde,die jeden Mieter einen Haus-
torschluessel zuerkannte.
Damit entfiel das Sperrsechserl,was einen Aufstand der Hausmeistervereinigung zur Folge hatte.
Nicht nur diese Massnahme,sondern auch das 1917 verabschiedete Mieterschutzgesetz,raeumte
mit der "Amtsgewalt" der Hausmeister auf.
Die sie wieder gewannen,als die NAZI 1938 die Macht in Oesterreich uebernommen hatten.
Davon ein anderes Mal.
Jock