vom: 09. September 2019, 16:11:03 »
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Als ich vor 60 Jahren in Wien aufschlug,landete ich in Penzing - besser gesagt in
Breitensee.
Dort dominierte die Pfarrkirche,daneben der Ludwigshof mit dem Boxerhund Arthus,
der es sich schon vor Jahren abgewoehnt hat,seinen Kopf zu heben,wenn ein Gast die
Wirtsstube betrat.
Mit den Jahren nahm er genau die selbe Farbe an,wie der fossile Brennstoff im Ofen.
Entlang der Breitenseerstrasse fand sich alles,was man zum Leben so braucht,auch
eine Strassenbahnlinie fuhr durch das graetzelliche Idylle.
Der Fleischer war neben dem Konditor,weiter unten das Feinkostgeschaeft,dann der
Gemueseladen,sogar ein Farbengeschaeft gab es,der Elektroladen nicht unweit vom
Textilgeschaeft Kremser,die Modewaren der fruehen 50gern anbot.
Stadtauswaerts wurde es laendlich und trostlos.Eine Eisengiesserei war neben einem
Kasernengebaeude,bewacht von einem gelangweilten Schuetzen.Der wiederum getren-
nt von der Ordination des lokalen Arztes,wo man nach ein paar Schritten zu einem
kleinen "Prater" kam,wo zwei einsame Ringelspiele warteten.
Ich und meine Freunde fuehlten uns wohl dort und nahmen uns vor,ewig und immer
dort zu bleiben,bis Bruder Hein uns abholt.
Fanden wir Gefallen an dem Besuch des Stadionbades oder gar der Alten Donau,bedeutete
es eine Tagesreise.3 oder 4 maliges Umsteigen bei der Strassenbahn,die am Sonntag
nur zu allen heiligen Zeiten fuhr,war ein Ausflug zu anderen Teilen der Stadt,eine zeit-
raubende Angelegenheit.
Niemand,den ich kannte wollte nach Floridsdorf oder Simmering. Und Kaisermuehlen war
jenseits des Endes der Welt.
Als ein Freund,der aus einer Substandardwohnung kam,voreilig ein Fraeulein zur Frau nahm,
die ebenfalls in einer Substandardwohnung mit Eltern und Geschwister wohnte,das zur
Folge hatte,dass das eheliche Getriebe nur dann stattfand,wenn regelmaessige Schnarchge-
raeusche etwas Ungestoertsein garantierten,wuchs der Wunsch bei ihnen,eine eigene Wohnung
zu haben.
Die Stadtgemeinde hatte Einsehen und wies ihnen eine schicke Wohnung am Stadtrand
jenseits der Donau zu.
Damals gab es noch Gemeindewohnungen,die ohne Baukostenbeteiligung zugewiesen
wurden.
Trotzdem wir waren entsetzt ! Wie kann man in eine Gegend ziehen,die weit weit weg von
jeder Zivilisation ist ?
Als er sich verabschiedete,hatten wir das Empfinden,er zoege nach Australien und ein Wieder-
sehen steht in den Sternen.
Denn damals gab es noch keine U-Bahn in Wien.
Dabei waren die ersten Plaene fuer dieses Massentransportmittel bereits 1844 auf dem Tisch.
Die Stadtvaeter berieten lange und ausgiebig - fast hundert Jahre lang,bis dann doch 1978
ein regulaerer Verkehr aufgenommen wurde.
Zwischenloesungen,den Massenverkehr unter die Erde zu verlegen,gerieten vorher ins Stocken.
Stadtbahn nannte man den nach oben offenen Verkehrsweg.Ustraba(hn) jene Teilstrecken der
normalen Strassenbahn,die auf der 2 er Linie und beim kurzen Stueck am Suedtiroler Platz
ab 1959 verkehrten.
Seitdem es die U-Bahn in Wien gibt,sieht die Welt anders aus und niemand entlang der
Breitenseerstrasse weint der alten Zeit nach.
Arthus liegt schon laengst im Hundehimmel beim Ofen,sein Herrchen am Zentralfriedhof.Der
Konditor ist vergessen,der Gemuesehaendler.wenn er noch lebt,reibt sich die Aeuglein ob
der schmalen Rente und statt die Greisslerei zu besuchen,eilt man zum Hofer.Und wegen einer
Farbe faehrt man in den Baumarkt.
Nur ein paar Minuten ist der Weg lang,bis man die U-Bahnstation erreicht.Und von da an,
dauert es nur kurze Zeit,entweder in der Mitte der City zu sein oder man steigt bei der
Neuen Donau aus.
Ein Freund,der ebenfalls ein Thaiweibchen gefreit hat,wohnt jenseits der Donau,wo man
frueher "nicht einmal begraben sein wollte".
Seinen Wohnung ist freundlich,hell und hat eine geraeumige Terrasse und abends wenn er
vom Dienstort in Penzing via U-Bahn heimkommt,nimmt er das Fahrrad,laeuft oder schwim-
mt ein wenig beim Ufer der Donauinsel.
Nie im Leben,wuerde er nach Breitensee ziehen.Aber vielleicht nach Thailand ?
Nein,vielen Dank,winkt er regelmaessig ab,vielen Dank.
Jock