Woinn's an Siass'n oda woinns an Schoarf'n?
Hunderte Male hat Frau Hannerl schon die Frage gestellt.
Frau Hannerl,eine resche blondierte Fuenfzigerin,deren Haar-
nachwuchs einen dringendem Friseurbesuch fordert,be-
wirtschaftet einen Wuerstelstand im 10.Wr.Gemeindebezirk.
Gleich neben einem Baumarkt hat sie ihre Existenz.Es ist kein
Nobelwuerstelstand,sondern einer,wo das Goldene Wr.Herz
noch am rechten Fleck ist.
Die Abkuerzung von der Gudrunstrasse zum Suedbahnhof
fuehrt durch eine triste Gewerbeflaeche,die im Westen durch
den Bahndamm der Suedbahn begrenz ist und im Osten sich
eine Reihe Gewerbebetriebe,darunter der Baumarkt,angesiedelt
haben.Bei nachts gibt es dort kein Leben,nichts als tote Hose.
Kurz nachdem der Baumarkt in der Fruehe eroeffnet,kommen
die ersten Gaeste,die zuvor Kuebel mit Malerfarbe,Kleineisen
oder Vorhangstangen ins Auto verladen haben.
Es ist Zeit fuer einen kleinen Imbiss und einer Zigarette.
Mittags ist der Kiosk gut im Betrieb.Arbeiter,Angestellte und
Pensionisten vergoennen sich "a Eitrige","a Burenhaeutl",an
Leberkas in der Semmel mit an Essiggurkerl" und "a Huelsen"
wenn es nicht ein "Sechserblech" sein darf.Je nach Gusto kann
man sich ein Glaeschen Bruennerstrassler oder einen Golsernern
zu Gemuete fuehren.
Jedenfalls eine Weinsorte,die dem Sommelier des Hotel de Paris
in Ohnmacht fallen liesse,wenn er ihn verkosten wuerde.
Mit der Zeit lernte Frau Hannerl ihre wiederkehrenden Gaeste
und erspart sich dabei die Frage nach der gewuenschten Senf-
sorte.
Viele ihrer Gaeste verzehren ihre Kleinspeisen,wie es sich am
Wuerstelstand gehoert.Stehend,rund um den Kiosk.Nur wenige
der Stammgaest nehmen an den 2 zusammenklappbaren Tischen
Platz,die nachts angekettet an der Kioskwand platziert werden.
Nicht dass Frau Hannerl befuerchtete,Wiener koennten ihre
Baenke und Tische stehlen.Nein,das nicht,aber die vielen Aus-
laender !
Frau Hannerl ist bodenstaendig,auch in ihren privaten Bezieh-
ungen.
Nach der kurzen,aber ungluecklichen Ehe mit einem Mann,der
als "Hutschenschleuderer" durchgegangen waere,blieb sie ehe-
los.Die Kurzzeitverbindungen fand sie in einem Espresso,wo die
Auserkorenen kurzfristig bei ihr einzogen und ebenso kurzfrist-
ig wieder auszogen.
Die beste Geschaeftszeit ist am Nachmittag ab 16 h bis 19 h.
Da kommen neben den Einkaufskunden des Baumarktes auch
der "Eisenbahnerkarl",der "Eiermann","der Charly",der "Peppi",
"der Herr Doktor",sowie der schweigsame Pensionist,der am
Ende des Tisches sich ein Achterl goennt und dabei Revue seines
"potscherten Lebens"vorbeiziehen laesst.
Sie alle folgen der Etikette,die bei einem Wuerstelstand ueblich ist.
Schimpfen ueber die Roddn,schimpfen ueber die Schwoarzn,nur
der Herr Haider wird mit einem Getraenkewusch geadelt.
Bestellt jemand einen "grossen Haider",bekommt er einen"Braunen".
Diskutiert wird auch ueber globale Politik.Das Exposee,verschrift-
lich,faende komplett auf einem Bierdeckel Platz.
Bei der Runde geht es aber friedlich zu.Nur wenn,meist ein zu-
gereister,fremder Gast,aufaellig wird,wird er von Frau Hannerl
mit den Worten "Hearst,kraeu ma owa" diszipliniert.
Wenn Frau Hannerl bald nach 19 h ihren Wuerstelstand schliesst,
oeffnen bald schon Nachtwuerstelstaende in der City.
Zwar unterscheidet sich das Warenangebot neben dem "Sacher"
nicht viel von dem in der Arsenalstrasse,doch die Kundschaft
ist eine andere.
Dort ist der Hofrat ein Wirklicher Hofrat,der Sektionschef ein
richtiger Doktor und der Kommerzialrat beleibt.
Am fruehen Morgen des 9.Feber 2024 besteht die Kundschaft
aus best angezogenen Leuten.Damen in Opernballrobe und die
Herren im Frack.
Auch die Verkaeufer des "Augustin"haben sich dort position-
iert.
Die Wuerstelstaende sind aus der Not der 1920 Jahre ent-
standen.
Sie waren eingefuehrt worden,um Kriegsinvaliden aus dem
WK 1 eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Joie