Was ist ein Graetzel ?
Graetzel sind Bezirksteile,wo es lokale Infrastrukturen fuer den taeglichen Bedarf gab.
Also,der Lebensmittelhaendler,neben dem Installateur,vis a vis der Elektrohaendler,
wo man den ersten Fernseher kaufte,dann der Konditor,der Farbehaendler,das Damen-
modengeschaeft u.s.w.
Entlang der Strassenbahnlinie fanden sich jenseits des Guertels das Maerzgraetzel,
Breitensee,Baumgarten und die Endstation Huetteldorf.
Oder um den Lebenslauf auszudruecken,erst die Berufsschule,dann der Markt,die
Kaserne,das Troepferlbad,das Hanuschspital,der,der dort verpfuscht wurde,eine Station weiter das Altersheim,noch eine weitere Station,der Baumgartner Friedhof.
Staedtebaulich genial - kurze Transportwege.
Huetteldorf ist der Flaschenhals,den man passieren muss,wenn man Wien Richtung
Westen verlassen will.Zu meiner Zeit (1960-62)nur auf der Bundesstrasse Nr.1.
Der Pfropfen im Flaschenhals war das Kaufhaus "Adolf Re..." ,wo ich die kaufmaenn-
ische Lehre absolvierte.
War aber fuer alle Beteiligten eine Tortur,besonders fuer jene junge Dame,der ich
etwas zu verkaufen hatte.
Betrat man das Geschaeft,war links die Damenabteilung.Unterwaesche,Blusen,Buesten-
halter,Strapsguertel.
Danach die Abteilung fuer Kleiderstoffe,angeschlossen die Kurzwarenabteilung,da-
hinter Wollknaeuel,Strickzubehoer und Naehutensilien.
Links vom Eingang die kleine,aber feine Herrenabteilung mit Hemden,Krawatten,
Manschettenknoepfe,Sockenhalter,Hosentraeger,aber auch "Morgenmaentel" die als
"Dressinggown" bezeichnet wurden.
Renner waren Masshemden mit eingesticktem Monogramm,die mir Begegnungen mit
saturierten Familien mit eigenen Gruenderzeitvillen ermoeglichten.
Dann kam "meine" Abteilung - die Bodenbelagsabteilung mit Teppiche und Linoleum.
Da war ich Meister im Zuschnitt,denn der Raumplan war spiegelverkehrt auf die Rueck-
seite des Belags einzuzeichnen und danach zuzuschneiden.
Einrollen,Schnuerl drum,Flaeche ausrechnen und Gruess Gott.
Einmal versuchte es der Juniorchef.
Tags darauf war konfrontiert mit der empoerten Kundschaft.
Mein absolutes Waterloo erlebte ich an einem Goldenen Sonntag.Der Silberne und der
Goldene Sonntag waren verkaufsoffene Sonntage an den letzten 2 Sonntagen vor
Weihnachten und die Geschaefte waren bummvoll.Nur die Bodenbelagsabteilung war
ein stiller Ort.
Da hoerte ich von der Chefin den Befehl,dass ich in der Damenabteilung aushelfen
soll.
Die erste Kundin,um die 19 Jahre alt,wollte einen Buestenhalter kaufen.Die Verlegen-
heit beiderseits war gross.Sie bekam rote Ohren,als sie ihren Wunsch aussprach und
ich auch,als ich ihn hoerte.
Ich stehe nicht an,mich fast 60 Jahre danach recht herzlich um Entschuldigung zu
bitten und mir meine Hilflosigkeit und Unkenntnis in dieser Angelegenheit nachzu-
sehen.
Kaeme sie heute,mit ihren 19 Jahren zu mir,wuerde sie ueberrascht sein,welche Fach-
kenntnisse ich angesammelt habe,die zu einer gediegenen Beratung fuehrte und ich
selbstverstaendlich zur Verfuegung stehen wuerde,ihr bei der Anprobe behilflich zu
sein.
Ich sehe,ich bin abgeschweift - Entschuldigung.
Jock