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Autor Thema: Wien, Wien, nur du allein ...  (Gelesen 12151 mal)

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Jock

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Wien, Wien, nur du allein ...
« am: September 23, 2021, 15:10:12 »

« vom: 01. Oktober 2016, 11:31:54 »
________________________________________
Wien,Wien,nur du allein,sollst stets die Stadt meiner Traeume sein..

Immer,wenn diese schmalzige Hommage an Wien erklingt,denke ich
an die Zeit zurueck,wo ich innerhalb der Mauern dieser Stadt wohnte.

Dann und wann steigen Erinnerungsbilder auf,wie es damals war,als
ich jung und schoen war,die Stadt hingegen,haesslich,grau und furch-
bar langweilig, die Jahre an sich vorbeiziehen liess.

1960 gab es nicht viele Unterhaltungsmoeglichkeiten ausserhalb der
Heurigen,der Kaffeehaeuser und der Kinos.

Da gabs Kinopalaeste,die Filme spielten,die 40 Wochen und laenger
tagtaeglich am Spielplan standen und man die Karten 2 Wochen im
Vorhinein kaufen mussten,da bis dahin alle Vorstellungen ausverkauft
waren.

Spartacus,Ben Hur,Doris Day und Rock Hudson waren die Highlights,
die ein wenig Licht in den grauen Alltag brachten.

Nur das Rondell - Kino in der Riemergasse 11 war nie im Vorhinein aus-
verkauft.,obwohl es das erste Kino war,wo Pornofilme gezeigt wurden
und man im Kinosaal rauchen durfte.

Denn der Besuch einer Vorstellung dort war immer in bisschen kom-
pliziert.

Niemand ging bewusst ins Rondell - Kino.Meist war man rein zufaellig
dort, weil man sich in der Programmanzeige verlesen hatte und  mit
blankem Entsetzen feststellte,dass statt einem chineographisch wert-
vollen Film ueber die Schloesser an der Loire,ein von der Katholischen
Filmbewertungsstelle verdammtes Machwerk zu sehen bekam.

Schuld daran ist man natuerlich auch selber,wenn man kapp vor oder
nach Beginn der Vorstellung rasch eine Karte kaufte und ueberhastet in
das Dunkel des Kinosaals betritt.

Als dann die ersten weiblichen Geschlechtsteile,farbig und gut ausgeleuchtet
auf der Leinwand erschienen,war man zu hoeflich,das gebannte Publikum
durch einen uebereilten Aufbruch zu stoeren und blieb sitzen.

Der Inhalt der gezeigten Streifen war sicherlich fuer angehende Gynaekologen
interessant,beim gewoehnlichen Zuseher jedoch verstaerkte es das Minder-
wertigkeitsgefuehl betraechtlich.

In knapp 90 Minuten,10 Geschlechtsakte des Hauptdarstellers hinnehmen
zu muessen,hielten nur gefestigte Charaktere unbeschadet aus.

So manchen Zuseher,durchfuhr ein gehoeriger Schreck,wenn er im Halb-
dunkel seinen Blick herumstreifen liess und rechts vor ihm seinen ehe-
maligen Lateinlehrer zu erkennen glaubte und 5 Reihen hinter ihm,den
Obmann des Kirchenbeirats wiedersah.

Um eine,fuer beide Seiten unangenehme und erklaerungsbeduerftige Be-
gegnung zu vermeiden,brach der halbe Kinosaal knapp vor Ende der
Vorstellung auf und strebte der Anonymitaet der Grossstadt zu.

1991 schloss das Rondell - Kino seine Pforten und war Gegenstand einer
parlamentarischen Anfrage an den zustaendigen Minister.

Jock



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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #1 am: September 23, 2021, 15:12:30 »

 vom: 03. Oktober 2016, 00:31:32 »
________________________________________
@Wiener

Nach deinem Bericht muss sich Wien bemuehen Chicago zu werden,
oder Rio.

Ich will dir nicht nahetreten,aber die Umgebung der Lugner - City
grenzt sehr an die Rotlichtmeile des Guertels.
Keine 10 Pferde wuerden mich dazu bringen,dort naechtens zu flan-
ieren.

Das haette ich aber auch nicht zu Zeiten gemacht,als von Auslaendern
noch keine Spur war.Die Luft in dieser Gegend war immer schon gefaehr-
lich und mitunter sogar bleihaeltig.

Das Ueberraschende an deinem Fall ist jedoch,dass die Polizei so freund-
lich war,dich ins Spital zu bringen.

Normal transportieren sie einen Verletzten nicht ,sondern rufen die Rettung.

Jock
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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #2 am: September 23, 2021, 15:13:37 »

 vom: 03. Oktober 2016, 13:17:43 »
________________________________________
@Suksabai

Fuer die Heiligsprechung der russischen,serbischen,albanischen,
kosovarischen und tscheschenischen Banden, die die Rotlicht-
szene beherrschen,werden sie dir dankbar sein.

Ja,sie sorgten fuer "Ordnung",dass keinem Normalbuerger ein Haar
gekruemmt wurde.

Aber den bedauernswerten Vorfall,bei dem @Wiener zum Hand-
kuss kam,konnten sie trotzdem nicht verhindern.

Es ist wirklich schlimm,was ihm da passiert ist.Aber waere es halb
so schlimm gewesen,haette ihn ein waschechter Oesterreicher nieder-
geschlagen ?

Ich glaube nicht  !

Jock
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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #3 am: September 23, 2021, 15:17:19 »

 vom: 12. Oktober 2016, 08:42:16 »
________________________________________
Man koennte ein Buch darueber schreiben,wie sich Wien
staedtebaulich entwickelt hat.

Von der roemischen Legionaersanlage ueber die Residenz-
stadt zur europaeischen Vorzeigestadt,die Massstaebe im
sozialen Wohnungsbau setzte bis hin zum modernen Wien.

Jahrhundertelang war Wien als "Stadt" auf knapp 1 Km2 ein-
gepfercht,bis sich der Kaiser Franz Josef doch entschliessen
konnte,die Stadtmauern schleifen zu lassen und damit nicht
nur einen Bauboom ausloeste,sondern auch das Zusammen
wachsen der Stadt mit dem umliegenden " Doerfern" beguenstigte.

Wien sollte um 1900 vorbereitet werden,Lebensmittelpunkt
fuer 4 Millionen Einwohnern zu werden.

Das schaffte man zwar nicht,weil ungluecklicherweise die Monarchie
zusammenbrach,aber die Versorgung und Unterbringung von
etwas ueber 2 Millionen,fuehrte dazu,dass ein gemeindeeigenes
Wohnbauprogramm gestartet werden musste.

Das bekannteste Bauwerk war/ist der Karl-Marx-Hof und noch heute
eines der groessten "Wohnhaeuser" von Wien.

In der Architektur der damals entstandenen "Hoefe" kennzeichnet
sich die politischen Gespaltenheit ab.

Die Bauwerke wurden "burgenartig" angelegt um sie leichter ver-
teidigen zu koennen.Nicht etwa gegen Tuerken,sondern gegen die
Christlichsozialen,die dem Proletariat feindlich gegenueberstanden.

Der Zutritt zu den Wohnungen war nur hofseitig moeglich und in die
Hoefe kam man nur durch Torboegen,die leicht zu verrammeln waren.

Die Wohnungen zeichneten sich durch unglaublichen Luxus aus.

Wasser und Toilette alles in der eigenen Wohnung,dazu eine Wasch-
kueche im Souterrain und begruente Innenhoefe mit Sitzgelegenheiten.

Das stand ganz im Gegensatz zu den Wohnungen der (privaten) Haus-
besitzern,auch Bassenawohnungen genannt,mit Klo am Gang und mit
der Bassena ebendort.

Das gemeindeeigene Wohnbauprogramm wurde bis in die spaeten 70.
Jahre fortgesetzt und fand mit der Errichtung der Rennbahnsiedlung
einen fragwuerdigen Hoehepunkt.

Damals ganz weit draussen in Kagran,wo ein normaler Wiener nicht
einmal begraben sein wollte,entstand eine Wohnanlage mit 2.424 Wohn-
ungen und war ab den ersten Moment,wo sie bezogen wurde,ein so-
zialer Brennpunkt.

Drei Geschehnisse kennzeichnen dies.

Ein Mieter hielt sich in seiner Wohnung ein Pferd und in dieser Anlage
geschah ein Verkehrsunfall,der einzigartig in Oesterreich ist.

Im 3.Stock einer Stiege fuhr ein Mieter seinen Nachbarn mit einem
Moped nieder.Es ist der einzige Verkehrsunfall,der sich innerhalb eines
Gebaeude ereignete.

Auch das bekannteste Entfuehrungsopfer,Frau Natascha Kampusch
wohnte dort.

Der Aufbruch zum modernen Wien muss noch ein bisschen warten
und wenn man will,schreibe ich demnaechst darueber.

Jock

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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #4 am: September 23, 2021, 15:18:42 »

 vom: 14. Oktober 2016, 12:38:09 »
________________________________________
Mit einem scharfen "Heil Hitler" und gleichzeitigem Zu-
sammenschlagen der Hacken,betrat im Herbst 1938
eine Abordnung aus Berlin kommend das Buero des Bau-
stadtrates von Wien.

Sie unterbreiteten ihm den Befehl,eine Prachtstrasse zu
entwerfen,die schnurgerade vom Stephansplatz bis zum
Praterstern hinfuehren soll,gespickt mit Gebaeuden der
Nazi-Architektur.

Statt einem "Jawolll" hoerten sie nur ein nicht begeistertes
"Jawoi,moch ma".

Das haette sie alarmieren sollen !Damit wurde ihnen unmiss-
verstaendlich mitgeteilt,dass das Vorhaben keine Chance auf
Realisierung hat.

Die Nazis,die sich einbildeten,die ganze Welt unterwerfen zu
koennen,wussten damals noch nicht,dass sie an der Stadt-
verwaltung,besser bei einigen Beamten, scheitern werden.

Selbstverstaendlich wurde sofort begonnen Plaene zu entwerfen,
um sie sogleich zu Schubladisieren.Aufforderungen,die Plaene
nach Berlin zu senden,wurden nicht aufgefunden oder so ver-
zoegert,dass es zu keinen Entscheidungen kommen konnte.

Ja,und dann war ohnehin schon der Kriegsbeginn und kein Geld
mehr fuer das Projekt vorhanden.

Mit der Pracht-und Paradestrasse haette man sich zur Not ge-
rade noch abfinden koennen,aber dass die Nazis den 2. Turm beim
Steffl auch noch errichten wollten,nein Danke !

Jock
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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #5 am: September 23, 2021, 15:20:28 »

 vom: 19. Oktober 2016, 13:02:46 »
________________________________________
Einer der bekanntesten Architeken war Prof.Roland Rainer.

Er erbaute die Wiener Stadthalle und andere,damals zu-
kunftsweisene Wohngebaeude.

Dabei entwicklelte er einen besonderen Stil,der sich dadurch
auszeichnete,dass die Gebaeude Flachdaecher hatten,viel
Sichtbeton und das sonstige Mauerwerk weiss war.Als Kontrast
hatten die Fensterrahmen und Tueren schwarz zu sein.

Die Reihenhaeuser,wovon  ich eines  bewohnte,strahlten die
Gemuetlichkeit eines Operationssaals aus,obwohl die Raumauf-
teilung durchaus durchdacht war.Ein kleiner Garten lud sommers
zum Draussensitzen ein.

Ich und meine Familie waren gluecklich,heiter und froh.

Nicht so mein unmittelbarer Nachbar.Dieses Reihenhaus war so
gar nicht nach seinem Geschmack.

Die halbhohe Tuere zum Vorgarteneingang,aergerte ihn gewaltig,
dagegen war der Brieftraeger sehr erfreut,wenn er anlaeutete und
Nachbars Frau in ihrer Vergesslichkeit im Evakostuem oeffnete.

Also schritt er zur Tat,sein Heim zu einem gemuetlichen Heim zu
machen.

Gebluemte Tapeten,da und dort eine Geweihtrophaee,ein althoch-
deutscher,auf Eiche gebeizter Wohnzimmerschrank,bei dem die 
6 Leute des Moebelhauses ,ihre Mueh und Not hatten,ihn ins Haus
zu tragen und eine maechtige Sitzgruppe in den gedaempften Farben
Braun,Beige und Undefinierbar.

Das Wohnzimmer zeichnete sich dadurch aus,dass eine 5 m breite
und 2 m hohe Glasfront den Garten ins Haus  einbeziehen und
den Raum,speziell im Winter in einen sonnenueberfluteten Bereich ver-
wandeln sollte.

Das wurde erfolgreich durch eine dichte Gardine verhindert und abends
noch durch einen samtenen Dekor mit Seitenquasten,verstaerkt.

Eine funktionierende Kuckucksuhr liess uns immer wissen,wieviel es
geschlagen hat.
Die duennen,laermdurchlaessigen Waende informierten seine zwei
Nachbarn verlaesslich ueber das Nachkommen seiner ehelichen Pflichten,
da zuerst eine Platte mit Verdi- Musik aufgelegt wurde und hinterher
das Rauschen des Wassers im Badezimmer zu hoeren war.

Zur Abrundung seines haeuslichen Gluecks,und zum Stil der Einricht-
ung passend,wurde ein Dackel ,namens Ludwig angeschafft,der 3 x
einen Polizeieinsatz erforderte.

Das kam meistens so:

Die Gartentuere war offen und das verdammte Vieh bellte geschlagene
3 Stunden non-stop.
Da wir in Traiskirchen ja das "Fluechtlingslager" hatten,wo sicherlich
einige Muslime untergebracht waren,erfuellte uns die Sorge,dass ein
Verbrechen geschehen war.

Wir riefen die Polizei - sie kamen,laeuteten an der Tuere,droschen dann
mit der Faust drauf und da sich nichts ruehrte (ausser das Hundegebell)
oeffneten sie vorsichtig,die Hand an der Pistole,die mittlerweile wald-
gruen gestrichene Tuer und drangen,sich absichernd, ins Haus ein.

In der Kueche fanden sie die Hausfrau.

Sie war voll mit der Zubereitung eines koestlichen Abendessen be-
schaeftigt und verlor dabei jeden Bezug mit der Umwelt.

Da die Wohnanlage "beruehmt" war,zogen immer wieder Architekt-
urstudenten mit Ihren Dozenten in der Anlage herum,und baten,
doch einen Blick in das Innere der Haeuser werfen zu duerfen.

Bei meinem Nachbarn blieben sie nie lange und auf der Heimfahrt
ueberlegten sicherlich manche Studenten,ob ihre Architektur denn
wirklich einst gewuerdigt werden wird und ob sie nicht doch die
Studienrichtung aendern sollten.

Jock

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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #6 am: September 23, 2021, 15:22:57 »

 vom: 22. Oktober 2016, 08:16:31 »
________________________________________
Vor 100 Jahren,mitten im WK I setzte langsam die Inflation ein.

Dinge des taeglichen Bedarfs stiegen und gleichfalls der Mietzins.

Die damalige Regierung reagierte mit einem "Mieterschutzgesetz",
das den Hausbesitzern verbot,Mietzinse zu erhoehen und sie quasi
einfror.

Man wollte damit den Delogierungen weiterer Bevoelkerungskreise
entgegenwirken.

Dieses Gesetz ist zwar in den 1990  Jahren aufgeweicht worden,hat
aber bei Altmietvertraegen immer noch Gueltigkeit.

So kommt es,dass traditionelle Geschaeftsinhaber,dessen Familie
in der Innenstadt in bester Lage,seit 100 oder 150 Jahren einen
Betrieb fuehrten,verhaeltnismaessige geringe Miete fuer ihre Geschaefts-
lokale zu zahlen hatten.

Jetzt sind sie alt geworden und wollen in den Ruhestand.Ihre Kinder
haben kein Interesse den Betrieb weiterzufuehren,da sie vom Ertrag
nicht gut leben koennen.

Geben sie daher ihren Betrieb auf,freuen  sich sowohl der Hausbe-
sitzer als auch der zukuenftige Ruhestaendler.

Die Abloese fuer ihren Betrieb lassen sie sich,je nach Groesse und Lage
mit bis zu 1 Million vergolden.Der Hauseigentuemer,bei dem die inter-
nationalen Ketten,die noch keinen Flagshipstore in Wien haben und
Schlange stehen,kann bei der Weitervermietung statt der vielleicht
monatlichen 1.500 Euro,locker jetzt 40.000 Euro einstreifen.

Die Mietpreise in der Innenstadt betragen zwischen 5.000 und 15.000
Euro pro m2 im Monat.

Wie Bernd richtig bemerkt hat,werden die Flagshipstores keinen Ge-
winn erwirtschaften.
Starbucks zog sich aus der Innenstadt zurueck und wie ich gelesen
habe auch Giorgio Armani.

Die kaufkraeftige Schicht der Russen verduennt sich und die reichen
Araber bleiben auch langsam aus.

Dabei sind die Margen bei den Edelmarken atemberaubend.

Handtaschen von Hermes sind zwischen 8.000 und 100.000 Euro
wohlfeil.Eine Jean kostet am Kohlmarkt ab 600 Euro u.s.w.

Aber ich freue mich schon auf die weiteren Berichte von Bernd,wenn
er den Meinl am Graben besucht und im Sacher eine Torte mit steinharter
Glasur zu essen versucht hat.

Jock
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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #7 am: September 23, 2021, 15:24:55 »

 vom: 24. Oktober 2016, 12:13:00 »
________________________________________
Es haette mich ja sehr gewundert,wenn Bernd nicht den
Meinl am Graben besucht haette.

Der Vergleich mit Dallmayr trifft vollstaendig zu.Edle Kaffee-
und Teesorten und ausgesucht hoefliche Bedienung.

Dabei ist der Meinl am Graben das letzte Geschaeft in Oesterreich
eines, einst ueber 1.000 Filialen grossen Netzes in halb Europa.

1862 wurde von Julius Meinl I. die Firma gegruendet.Sein Sohn
Julius II.erweiterte die Geschaeftsstellen und fuegte einige Fabriken
hinzu,die sich mit der Lebensmittelerzeugung beschaeftigten.

Julius II. heiratete 1931 eine um 40 Jahren juengere Japanerin,die
somit ihrer Aufforderung nach Japan zurueckzukehren entgehen
konnte.

Julius II, war ein Gesellschaftsmensch und hatte in seinem Freundes-
kreis auch den beruehmten Filmstar Victor de Kowa.
Eines Tages sprach Victor de Kowa bei Julius vor und bat um die Hand
seiner Frau.
Er bekam sie und die Maenner blieben trotzdem Freunde.

Als die Nazis naeher rueckten und die Gefahr,dass die mit juedischen
Wurzeln belastete Familie, ihr Leben und ihre Betriebe verlieren
koennte,adoptierte Julius II. " Fritz" und uebergab ihm den gesamten
Besitz.
Ueber "Fritz" weiss die Chronik nicht allzuviel,man munkelt,er sei der
Prokurist gewesen.
1938 floh Julius III.mit seinen Soehnen nach England,von wo er erst nach dem
Krieg wieder nach Wien zurueckkam.

"Fritz" uebergab seinem Adoptivvater den mittlerweie restituierten Betrieb
wieder und dabei stellte man fest,dass er all die Jahre ausschliesslich nur
seinen angemessenen Gehalt bezogen hatte.

Er wurde grosszuegist abgefunden,zog nach Suedamerika wo er eine Kaffee-
farm betrieb.

Auf Julius III.folgte Julius IV.der weiterhin am Erfolg arbeitete,doch war der
Zenit der Dynastie im Lebensmittelhandel bereits ueberschritten und die
ersten Supermaerkte traten in Erscheinung.

Julius V. ( der ,der mit "Spaengli" verheiratet war) verkaufte die Filialen
und behielt sich nur den Meinl am Graben.
Der Fuenfer war ein Bankmann und managte die familieneigene Bank,mit
anfangs hervorragenen Ergebnissen viele Jahre lang.

Als er vor einigen Jahren in Untersuchungshaft genommen wurde,kam er
innerhalb von 2 Tagen wieder aus der Haft  heraus.In dieser kurzen
Zeit war es ihm gelungen eine Kaution von 100 Millionen Euro aufzustellen.

Das Logo der Firma wurde 1924 geschaffen und zeigt einen,demutsvoll
nach unten blickenden Mohr mit einem roten Fes.

2004 endlich entschloss man sich,das Logo zu aendern.

Seit dieser Zeit ist auf rotem Untergrund ein weisser Scherenschnitt eines
Kopfes mit Fes und Quaste zu sehen.Und er blickt nicht mehr so sehr nach
unten.

Jock
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Jock

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #8 am: September 23, 2021, 15:25:38 »

 vom: 30. Oktober 2016, 14:50:14 »
________________________________________
Als der WK II vorbei war,zaehlte man die Schaeden die die
Bombenangriffe und Kaempfe hinterlassen hatten.

Zwischen 12.April 1944 und 28.Maerz 1945 geb es 115 Warnungen
vor feindlichen Luftangriffen,die 8769 Todesopfer forderten und ueber
21.000 Haeuser zerstoerte oder beschaedigte.

Auch der Steffel bekam einen Bombentreffer ab und brannte aus.

Weiters wurden die Ver - und Entsorgungseinrichtungen beschaedigt,
769 Waggons der Strassenbahn in Leidenschaft gezogen und 86.000
Wohnungen total oder teilweise unbewohnbar gemacht.

Die Stadt war in vier Besatzungszonen aufgeteilt und die legendaeren
"Vier im Jeep" patrouillierten in der Stadt.

Alle oeffentlichen Gebaeude waren schwarz gestrichen,Tristesse herrschte
ueberall und der Zitherklang mit der Melodie des 3. Mannes hing allgegen-
waertig in der Luft.

Das weltpolitische Klima hatte sich so stark abgekuehlt,dass nur eine Funke
genuegt haette,den 3. Weltkrieg ausbrechen zu lassen.

Eine dieser schicksalhaften Stunden war im Spaetherbst 1947.

Nur durch die Kaltbluetigkeit zweier,rasch handelnder Personen konnte
der Weltenbrand gerade noch verhindert werden.

Ich war gerade in Wien,um mein erstes Fahrzeug zu uebernehmen und
auf dem Nachhauseweg mit der Franz-Josefs- Bahn,als es galt die Kata-
strophe abzuwenden.

Ich "radelte" gerade mit meinem neuen Dreirad den Perron des Bahnhofs
entlang,als mir ein russischer Soldat in den Weg sprang.Nur einer Not-
bremsung meinerseits und einem kuehnen Sprung von Ivan Ivanowitsch
Vodkaowitsch ist es zu verdanken,dass Stalin und Truman keinen Einsatz-
befehl fuer ihre Streitmaechte geben mussten.

Dankesworte erreichten uns nie,doch das ist verschmerzbar.

Erwartet haben wir jedoch ein eindrucksvolles Denkmal oder die Benennung
eines Platzes auf den Namen Jock - Vodkaowitsch - Platz.

Doch nichts dergleichens ist bislange geschehen.Aber vielleicht braucht
gut Ding,gut Weile.

Jock
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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #9 am: September 23, 2021, 15:26:19 »

 vom: 31. Oktober 2016, 05:01:32 »
________________________________________
Kind - Dreirad - Russe - 3. Weltkrieg

Wie jedermann erkennen konnte,ist diese Beschreibung eine
Allegorese auf einen Zeitabschnitt in Nachkriegswien.

Befreit wurde Wien durch die Rote Armee,was nicht notwendig gewesen
waere,haette Eisenhower auf Churchill gehoert.

Nachdem die Alliierten in Sizilien gelandet waren und nordwaerts vor-
rueckten,war der Plan Churchills,rasch ueber Nordjugoslawien Richtung
Ungarn und Ostoesterreich die Russen davon abzuhalten,sich in der
Slowakei 'festzusetzen".

Er roch foermlich die Absicht der Sowjets,sich mit der Bildung des Ost-
blocks eine Reihe von Satellitenstaaten einzurichten.

Eisenhower jedoch war anderer Ansicht,schwenkte die Truppen west-
waerts und ueberliess Wien und Ostoesterreich der Roten Armee.

Von Ungarn her kommend,wurde Wien von Osten,Sueden und Westen
eingekreist,nur nach Norden war noch ein Fluchtweg offen,den Baldur
von Schirach auch ausnuetzte.

Die Vereinbarung ueber die Besatzungszonen sah vor,dass Niederoesterreich,
Teile Oberoesterreich und das Burgenland sowjetische Besatzungsge-
biete waren und Wien in vier Zonen aufgeteilt wurde.

Die Freude ueber die "Befreiung"war von kurzer Dauer,denn die "Russen"
gingen mit den Befreiten nicht fuersorglich um.

240.000 Vergewaltigungen vermutet man im russischen Besatzungsgebiet,
dazu Pluenderungen,Verschleppungungen,Morde und sonstige Uebergriffe
erzeugten einen Angstzustand in der Bevoelkerung,der eine rasche Normal-
itaet hemmte.

Dazu kam noch,dass die Russen,alles was sie dachten,zu Hause brauchen
zu koennen,abmontierten,auf Eisenbahnwaggons verluden und hinter der
ungarischen Grenze verrosten liessen.

Was sie sofort in ihren Beschlag nahmen,waren Industriebetriebe,die in
irgendeiner Form dem Deutschen Reich gehoerte oder sie es vermuteten,
und als USIA - Betriebe produzieren liessen.

Fuer die Sowjetunion versteht sich.Ausschliesslich !

Die,die davon profitierten,waren die Arbeiter in diesen Betrieben,die ausser-
ordentlich gut bezahlt wurden.

Gegenueber den westlichen Bundeslaender,bedeutete das einen wirtschaftlichen
Rueckschlag,der erst nach vielen Jahren wieder aufgeholt werden konnte.

Die Bally - Schuhfabrik A.G. betrieb in Wien seit 1920 ein Werk,das ebenfalls
unter das Dach der USIA - Holding kam.
Die Schweizer konnten jedoch den Betrieb rasch wieder in ihre Haende be-
kommen und das schweizerische Management veranlasste,dass das Mutter-
werk einen Eisenbahnwaggon mit Lebensmittel nach Wien sandte.

Mehl,Zucker,Nudel,Dosengerichte,sogar Schokolade etc. waren dabei und die
Waren wurden an die Beschaeftigten verteilt.Noch 1968 erzaehlte man sich im
Werk davon.

30.000 Kinder wurden in die Schweiz "Landesverschickt"damit sie sich satt-
essen konnten und das Trauma der Kaempfe und Bombenabwuerfe abarbeiten
konnten.

Die Bezirke von Wien,wo die Russen das Sagen hatten,waren in den Nacht-
stunden menschenleer.Niemand war sicher,wenn er sein Haus  morgens ver-
liess,dass er abends wiederkam.Bei Nacht war es noch um einen Grad ge-
faehrlicher.

Frau Dr.Margarete Ottilinger war die Sekraeterin eines Ministers und wurde
1948 nach Russland verschleppt und kam erst 1955 wieder zurueck.
7 Jahre verbrachte sie in einem Arbeitslager in Sibirien.

Auf der Schwedenbruecke,Mitten in Zentrum von Wien,wurde ein Mann von
zwei Russen zu ihrem Auto gezerrt um entfuehrt zu werden.In dem Fall,
es war am Tag,verhinderten eine Menschenmenge das Vorhaben.

Frauen,die die relativ sicheren Wohnungen verlassen mussten,erkrankten
auf dem Weg zum Einkauf oder zu ihren Arbeitsstellen an der "Erdbeer-
krankheit",um sich vor Verschleppungen und Vergewaltigungen zu schuetzen.

Der rasch entstehende Schwarzmarkt konnte nur einen Teil der Bedarfs-
gueter abdecken.An Sonntagen fuehren die Wiener in den Wienerwald und
kamen mit Brennmaterial wieder zurueck.

Oder sie fuhren aufs Land zu den Bauern,um sich mit Lebensmittel einzu-
decken. Ein goldener Ehering fuer 10 Eier,eine goldene Halskette fuer ein
paar Kilo Schweinefleisch.

Zwar gab es 1947 bereits wieder Lebensmittel gegen Lebensmittelkarten
zu kaufen,doch war damit der notwendige Kalorienbedarf nicht abzudecken.

Jede schreckliche Zeit geht vorueber.Ab 1952 war die Angst vor den Russen
abgeflaut,denn die Uebergriffe wurden seltener,die Versorgungslage ver-
besserte sich und die Wiener begannen wieder Hoffnung zu schoepfen.

Jock


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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #10 am: September 23, 2021, 15:27:12 »

 vom: 31. Oktober 2016, 11:16:37 »
________________________________________
1965 trat ich meinen Dienst bei der Bally- Schuhfabrik an.

Das war zu einer Zeit,als die Personalchefs aengstlich auf die Ant-
wort eines einzustellenden Arbeiters oder Angestellten warteten,ob
der angebotene Lohn auch akzeptiert wird.

Man war fair,das Angebot in Ordnung und ich beschloss ebenfalls fair
zu sein und meine Arbeitskraft mit vollem Einsatz einzubringen.

Ich bekam einen Schreibtisch im Expedit,aber keinen Arbeitsmantel.
In der Firma war es ueblich,dass Angestellte weisse Arbeitsmaentel
trugen,Arbeiter blaue.
Man vertroestete mich,ich bekaeme bald einen weissen Arbeitsmantel,
aber derzeit sind alle ausgegangen.

So sass ich in meinem eleganten 3 - Reiher einige Wochen an meinem
Arbeitsplatz und langweilte mich,da meine Tagesarbeit in 2 Stunden zu
erledigen war.

Als es mit zu bloede war,darauf zu warten,bis der Arbeitsschluss gekommen
war,sprach ich meinem Vorgesetzten an und verlangte mehr Arbeit.

Die hatte er aber nicht,aber er werde mit der Direktion reden.

Die Direktion bestand aus einem Generaldirektor,einem Einkaufsdirektor,
einem Finanzdirektor ( der einzige Oesterreicher) ,einem Verkaufsdirektor
und einem Werksdirektor.
Ein halbes Dutzend Prokuristen unterstuetzten sie und daneben gab es
noch einige hohe Herren aus der Schweiz,die mit wichtiger Miene herumliefen,
wo keiner genau wusste,wozu sie eigentlich da sind.

Sie wohnten in Mietvillen,fuhren Benz und bezogen Gehaelter ( ab, 17.000 ATS)
von denen ich nur traeumen konnte.( 3.500 ATS war mein schmales Salaer)

Im Hauptwerk waren ca. 500 Arbeiter und 250 Angestellte beschaeftigt.
Manche von Ihnen waren knapp vor der Pension und ihr ganzes Leben lang
schon dort.
Damals war die Produktion fast ausschliesslich noch Handarbeit und die Ver-
waltungsabteilungen mit museumsreifen Rechenmaschinen ausgestattet,die
taeglich,die handschriftlich erstellten Statistiken,addierten und die Ergebnisse
weiterreichten,wo sie niemand mehr beachtete.

Auf mein Ersuchen versetzte man mich vom Expedit im Erdgeschoss in den
Verwaltungstrakt im 1. Stock des Werkgebaeudes in die Dispostion.

Ein unendlich langer Gang,links und rechts Tueren.Die Buchhaltung war dort
untergebracht,die Kalkulation,der Einkauf,die Direktionsbueros u.s.w.

Die neue Arbeit lastete mich ebenfalls nicht aus und ich wurde ungluecklich,
da ich 1.) keine tagesfuellende Arbeit hatte und 2.) noch immer keinen weissen
Arbeitsmantel und im 3 - Reiher,mit Krawatte und Stecktuch herumspazieren
musste.

Eines Tages,war ich gerade auf dem Weg zur Toilette,als ich den Verkaufsdirektor
am Gang traf.Er blieb stehen,gruesste hoeflich,schuettelte mir sogar die Hand,
stellte sich als Verkaufsdirektor vor,was ich ohnehin wusste und frug mich,wie es
mir ergehe und ob die Geschaefte laufen wuerden.

Ich guesste ebenso hoeflich zurueck,aeusserte mich zu meinem Befinden,dass
soweit alles in Ordnung sei und wir trennten uns.
Er,im weissen Arbeitsmantel eilte zu seinem Buero im 2.Stock und ich zu der
kleinen Abteilung,wo man Wasser abschlagen konnte.

2 Wochen spaeter wiederholte sich die Begegnung,doch diesmal war sein Gruss
erstaunlich kurz  und er verschwand im Buero des Einkaufsdirektors.
Sekunden spaeter oeffnete sich die Tuere wieder und zwei Direktorenkoepfe
blickten mir nach.

Was soll ich sagen,naechsten Tag bekam ich einen weissen Arbeitsmantel und
der Direktor verwechselte mich niemals mehr mit einem wichtigen Kunden.

Jock

 
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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #11 am: September 23, 2021, 15:27:54 »

 vom: 31. Oktober 2016, 21:57:19 »
________________________________________
Der Bally - Schuh war ein Produkt fuer die halbe Ewigkeit.

Der Bekanntheitsgrad unschlagbar,die Qualitaet das Beste,was ein
Konfektionaer herzustellen vermag,also alles Grundvoraussetzungen
fuer eine lange Marktteilnahme.

Und trotzdem ging es innerhalb von 10 Jahren derartig bergab,dass
die Produktion in Oesterreich eingestellt werden musste und selbst am
Heimatmarkt,die Produktionszahlen so im Sinken begriffen waren,dass
auch dort in einigen Produktionsstaetten die Produktion wegen der davon-
laufenden Kosten auslief.

1965 - 1968,(in der Zeitspanne war ich dort taetig),war die Welt von Bally
noch in Ordnung und diese Ordnung galt es aufrecht zu halten.

Es war eine Ehre fuer das Unternehmen,mit teurem Geld Verluste auszu-
gleichen,als mit billigen Schuhen Geld zu verdienen.

Das Management in Wien bildeten hauptsaechlich Schweizer.In Ehren ergraute
Herren,die schon ein Menschenleben lang im Unternehmen taetig waren und
die Zeichen der Zeit nicht erkannten.

Sie dachten und handelten auch danach,dass die Welt im Schuhhandel stehen
geblieben sei und sie mit einem Dutzend Grundmodellen je fuer den Herren
und fuer die Dame noch ein Jahrhundert bestehen koennten.

Das Grundmodell,dessen erster Entwurf dem Modebewusstsein und dem
Beduerfnis der 30 Jahre entsprach,in den Farben Schwarz und einigen Schat-
tierungen in Braun erhaeltlich war,fuer das man oberdrein noch einen ver-
haeltnismaessig hohen Preis zu bezahlen hatte,stellte sich als ueberholt her-
aus.

Zwar entwarf die Designabteilung jedes Jahr zwei Kollektionen,die durchaus
zeitgemaesse Farben und Formen aufwiesen,die jedoch durch die Konzern-
interessen zu teuer fuer den Markt in Oesterreich waren.

Den Konkurrenten freute das riesig. Humanic und Salamander warfen sowohl
fuer den Fruehling/Sommer als auch fuer Herbst/Winter modische Schuhe
auf den Markt,die zwar nicht die Qualitaet eines Bally - Schuhs hatten,dafuer
aber billig zu kaufen waren.

Das entsprach dem Trend der Zeit.Vorbei die Zeiten,wo ein Schuh ein viertel
Jahrhundert zu halten hatte,bevor man ein neues Paar kaufte.

Unsere Designabteilung war wohl in der Lage 200 Entwuerfe zu creieren,wo-
von 50 Paare als Modelle auch angefertigt wurden,ueber die eine Kommission
entschied,welche auch in die Produktion kommen sollten.

Das war zwei Mal im Jahr ein Auftrieb.Unser oertliches Management wurde
durch eine Abordnung aus der Schweiz vestaerkt,die zwei Tage lang sich in
einer undefinierbaren Sprache unterhielten und mit sicherer Hand,die kauf-
traechtigen Modelle ausschieden.

So war natuerlich kein Blumentopf zu gewinnen.

Aber auch die innerbetrieblichen Strukturen waren nicht mehr zeitgemaess
und kosteten viel Geld.

Alleine das Missverhaeltnis zwischen (unproduktiven) Angestellten und (pro-
duktiven) Arbeitern (250:500) zeigt,dass es aus der sich zusammenziehenden
wirtschaftlichen Schlinge kaum ein Entrinnen gab.

5 Direktoren und 5 Prokuristen bildeten den Board.Betrat ich das Buero
(meines) Prokuristen,fand ich ihn mit verschraenkten Armen am Fenster stehen,
und sein Schreibtisch war blitz- blank.Und ich besuchte ihn oft !

Nie sah ich ihn telefonieren oder ueber ein Papier brueten.

Mitte 1975 war es dann mit der Bally - Schuhfabrik in Oesterreich.Das Werk wurde
geschlossen und das Gebaeude verkauft.Die Maschienen wurden wahrscheinlich
entweder einem technischen Museum angedient oder landeten in der Metall-
schmelze.

Daneben gab es allerdings,als eigene Gesellschaft,die Bally - Handelsges.m.b.H

Diesse Gesellschaft betrieb und betreibt,als Luxus - Label, weltweit ihre Schuh-
geschaefte und laesst wahrscheinlich in Indien oder sonstwo fertigen.

Jock



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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #12 am: September 23, 2021, 15:28:39 »

 vom: 01. November 2016, 09:27:32 »
________________________________________
Wo liegt Wien ?

Genau zwischen Allerheiligen und Allerseelen,spottete Andre'
Heller einmal.

Und heute ist Allerheiligen. An diesem Tag wird der Heiligen der
Roemisch -katholischen Kirche gedacht.

Papst Gregor IV. sah sich bereits 835 veranlasst,den 1. November
zum Gedenktag der Heiligen festzulegen,weil es einfach nicht mehr
genug Tage im Jahr gab,an denen jeden Heiligen ein Tag gewidmet
werden konnte.

Dieser Tag ist traditionell ein arbeitsfreier Feiertag und wird zum Besuch
der Graeber auf den grossen Wiener Friedhoefen verwendet.

Die oeffentlichen Verkehrsmittel fahren in Kurzintervallen zum Zentral-
friedhof,jener Einrichtung,die halb so gross ist wie Zuerich,aber doppelt
so lustig.
Blumen,-Kranz und Kerzenverkaeufer machen in diesen Tagen beste Um-
saetze und den Wienern wird bewusst,dass auch sie eines Tages Besuch
von Bruder Hein bekommen werden.

Dieser kurze Gedankenschatten ist bald vorueber,den der Tod ist ein Wiener
und mit dem geht man gerne vorher noch zum Heurigen.

Sterben ist den Wienern nicht so wichtig.Wichtig ist, wie danach das Be-
graebnis gestaltet wird,denn " a scheene Leich ' ist lebenswichtig.

Es ist ewig schade,dass es die Monarchie nicht mehr gibt.

Als Kaiser Franz Joseph zu seiner letzten Ruhestaette ueberfuehrt wurde,
6- spaennig und von einer Menge Pompfueneberer begleitet,die Musikkapelle
Trauermusik blasend,mieteten reiche Wiener Fensterplaetze entlang des
Trauerzuges und beobachteten,mit einem Glas Champagner  in der Hand den
Trauerkondukt. (Aehnliches kann man heute in Monaco waehrend eines
Formel 1 - Rennens sehen).

Die letzte "scheene Leich" war das Begraebnis von Ex- Kaiserin Zita.

Persoenlich und visuell sahen das Leichenbegaengnis mehr Wiener als das
Endspiel in der Champios Leaque.

Die Angst,als Scheintoter begraben zu werden sitzt den Wienern tief in den
Knochen.
Es wurde hier schon berichtet,welche Vorkehrungen getroffen wurden,um
ein unfreiwilliges Begrabenwerden zu verhindern.Eine Leitung zur Glocke
in der Friedhofsverwaltung war ein beliebte Vorsorge.
Damit war die Erwartung verbunden,dass wenn an der Glockenschnur ge-
zogen wurde,der Friedhofswaerter  mit Schaufel und Krampen angerueckt
kommt und den Lebenden ausgraebt.

Und es kam tatsaechlich vor,dass um Mitternacht die Glocke bimmelte,
denn ein herabfallender Arm oder das Enstehen von Verwesungsgasen,loesten
den Alarm aus.
Die Reaktion des Friedhofwaerter war allerdings meist,dass er vor Schreck
zum bereitstehenden Doppler griff und sich vollsoff.
Es ist nicht bekannt,dass jemals jemand nach dem Alarm ausgegraben wurde.

Um aber der Besorgnis,als Scheintoter begraben zu werden,entgegen zu steuern,
hat der Gesetzgeber es ermoeglicht,einen "Herzstich" durchfuehren zu lassen.

Zuerst ist eine Genehmigung beim Magistrat einzuholen,sodann dem Bestatter,
der mit einem Stilett das Herz durchbohrt,fuer seinen Dienst 300 Euro zu be-
rappen.

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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #13 am: September 23, 2021, 15:30:31 »

 vom: 03. November 2016, 10:49:23 »
________________________________________
Es wird anmit jedermaniglich kundgemacht,wasmassen Se.kaiserl.
Majest.aus allerhoechst zu dem hiesigen Publico allermildest hegenden
Zuneigung Sich allergnaedigst entschlossen ....hat,das Pratergelaende
fuer die Wiener freizugeben.

Weiter unten heisst es dann im Dekret:...allergnaedigst verstatteten
Freyheiten sich geluesten lassen werde...und Anlass zu allerhoechsten
Missfallen Anlass zu geben.

Den letzten Abschnitt haben die Wiener seit 1762 nicht beachtet und werden
es auch in Zukunft nicht tun.

Der Prater war von Anfang an ein Publikumsmagnet.Ein Schmelzpunkt von
Spektakeln,Einkehrmoeglichkeiten,Schaustellerei und schluepfriger Unter-
haltung.

Schwebende Jungfrauen wurden vorgefuehrt und Damen ohne Unterleib,den
gaffenden Publikum gezeigt,die dann darob verwundert waren,wenn sie in
der Zeitung lasen,dass die eine oder andere Dame Mutter eines gesunden
Nachwuchses wurde.

In der Geisterbahn,naeherte sich manche Hand dem Oberschenkel der
eben erst kennengelernten Begleiterin,die dies nur zuliess,wenn man ihr
versprach,Zuckerwatte oder ein Langos zu kaufen.

Schiessbuden,Ringelspiele,Hochschaubahnen und vor allen die Autodrom-
Buden und jetzt die Go-Kartbahnen,alles mit betaeubender Musik untermalt,
am Abend von bunten Lichtern erhellt,erleichtern den Griff zur Geldboerse
was damit zum Wohlergehen der "Praterfamilien" die seit Jahrzehnten die
Betriebe beherrschen,beitraegt.

Die Praterfamilien sind eine eingeschworene Gemeinschaft,die untereinander
heiraten,damit niemand Fremder in den erlauchten Kreis eindringen kann und
die eines eint - ihre Abneigung zur Einfuehrung der Registriekassen,die dieser
Blutsauger von Finanzminister durchgesetzt hat.

Vis a vis ,jenseits der Ausstellungsstrasse das Stuwerviertel - auch Babystrich
genannt,da dort sehr junge Damen ihre Dienste anboten und fuer ein ueber-
hoehtes Verkehrsaufkommen, abends fuer abends,verantwortlich waren.

Weiter unten am Prater,wo das "fahrende Gewerbe" sich ausduennt,die legend-
aere Prater - Sauna.

Treffpunkt der russischen Mafia in Wien,die dort ungestoert ihre Geschaefte
besprechen konnte,bevor sie unter einem kraeftigen Aufguss wimmerten.
Spaeter war dort einer der ersten Swinger- Clubs.
(Swinger - Clubs sind Zusammenkunftsorte,wo unbekleidete Erwachsene
beiderlei Geschlecht sich in Verkehrsuebungen ergehen)

Dies war natuerlich ein Dorn im Auge des Gesetzes und so beschloss die
zustaendige Polizeiinspektion einen "Undercover- Agenten" einzuschleusen.

Nie zu vor,meldeten sich freiwillig so viele Kollegen zu diesem koerperlich
anstrengenden Einsatz.

"Im Prater bluehen wieder die Baeume" ein bekanntes Wienerlied,besingt
die alten Kastanienbaeume die die Allee zum Lusthaus saeumen.

Die ca. 5 Km lange Strasse ist autofrei,Hunde fuehren ihre Frauchen und
Herrchen aus,dann und wann vielleicht ein einsamer Reiter.Jogger in allen
Altersklassen bewegen ihr Muskeln um fit  zu sein,wenn der Wien Marathon
durch diese Gegend fuehrt

Die Vernuenftigen unter der Schar der Laeufer bricht dort ein und stattet
dem nahen "Schweizer Haus" einen Besuch ab und verschiebt die Absicht,den
Lauf zu gewinnen um ein weiteres Jahr.

Weltweit war in Wien das Lokal "Waldfisch" bekannt,wo man essen konnte,
bevor man weiterwanderte zum "Eisernen Mann".

Dort spielt eine Musikapelle die alten schmalzigen Schlager, zu deren Takt,
in die Jahre gekommenen blondierten Damen sich an die Bierbaeuche ihrer
Begleiter schmiegen und in Seligkeit versinken.

Besonders dann,wenn der Saenger anhebt um sein : " Geh Oide schau mi
net so teppert au" zum Besten zu geben.

Da swingt das Wienerherz und so soll es bleiben.

Jock


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Re: Wien, Wien, nur du allein ...
« Antwort #14 am: September 23, 2021, 15:31:51 »

 vom: 08. November 2016, 14:14:08 »
________________________________________
1881 brannte das Ringtheater.

Offiziell kamen 400 Besucher ums Leben,inoffiziell bis zu 1.000.

Schuld an der Katastrophe war eine explodierende Gasbeleuchtung.

Diese Art von Beleuchtung gibt es schon seit fast hundert Jahren nicht
mehr,doch die Sicherheitsvorschriften,die nach und wegen des Brandes
eingefuehrt wurden,wurden erst dieser Tage aufgehoben.

Man rechnet mit Ersparnisse von 400.000 Euro jaehrlich und Vereinfachung
des buerokratischen Hindernislaufs.

So war es seit 1881 Gesetz,dass bei jeder Vorstellung ein Beamter
dienstlich der Auffuehrung persoenlich,im Zuschauerraum sitzend,bei -
wohnen musste.

Zudem war vorgeschrieben,dass vor Beginn der Auffuehrung,ueberprueft
werden musste,ob die Notausgaenge frei seien u.s.w.
Ueber das Ergebnis der Begehung war vor JEDER Auffuehrung ein Bescheid
zu erlassen,natuerlich mit Einspruchsfrist und Einspruchsmoeglichkeit.

90 Beamte waren fuer die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften beschaeft-
igt.Zukuenftig sollen es nur mehr 8 Beamte sein,da man doch mehr als frueher
dem technischen Fortschritt vertraut,als einen beamteten Auge.

Der Ringtheaterbrand war die groesste Katastrophe,die Wien heimsuchte.

Ein Ungluecksfall,der sich im August 1960 ereignete kostete 19 Menschen das
Leben und weitere 100 Personen wurden zum Teil schwer verletzt.

Ein Strassenbahnzug,stiess mit einem anderen Zug zusammen.Die Waggons
hatten hoelzerne Aufbauten,die beim Zusammenprall zerbarsten und die
Splitter die schweren Verletzungen verursachten.

Unter den Toten war auch einer der Strassenbahnfuehrer,der mit satten
2,6 Promillen den Zug lenkte und den Unfall ausloeste.

Trotzdem dauerte es noch bis 1978,bis alle "hoelzernen" Waggons ausgetauscht
waren.

1960 war die Arbeitslosenrate extrem niedrig und dafuer sorgten auch die
Wiener Verkehrsbetriebe.

Ein Strassenbahnzug bestand meist aus einem Triebwagen und zwei Tender.

Jeder Wagen war mit je einem Schaffner besetzt und dazu kam noch der Fahrer,
sodass 4 Beamte Arbeit und Brot hatten.Pro Garnitur versteht sich.

Als nach und nach neue Garnituren in Betrieb genommen wurden,die mehr
Fahrgaesten Platz boten,waren Schaffner noch mit an Bord,die peinlichst da-
rauf achteten,dass die "Befoerderungsfaelle" sich an die Vorschriften hielten.

Es war vorgesehen,dass nur die hintere Tuere als Zustieg benuetzt werden
darf und durch die 2 vorderen Tueren der Waggon wieder verlassen werden
sollte.

Zurechtweisungen an die Fahrgaeste,die falsche Tueren benuetzten,waren
an der Tagesordnung und erhoehten das Selbstwertgefuehl des Personals
ins Unermessliche.

Bei einen Flugzeugabsturz der sich am 10.Oktober 1955 ereignete starben
7 Menschen.

Eine Maschine der juoslawischen Airline wollte von Belgrad mit Zwischen-
landung in Wien nach London fliegen.29 Passagiere und 4 Besatzungsmit-
glieder waren an Bord.

Das Wetter war schlecht,als die Maschine am Leopoldsberg in die Baum-
wipfeln krachte.6 Personen starben gleich und der 7.im Spital.

Unter den Verletzten war ein Passagier,der sich weigerte,seine angekettete
Aktentasche abzulegen um sich operieren zu lassen,bevor nicht ein Ange-
hoeriger der Britischen Botschaft anwesend ist,dem er die Tasche uebergeben
konnte.

Es war nicht James Bond,der so heldenhaft, seinen letzten Bluts-
tropfen opfernd, bereit war,die Interessen ihrer Majestaet zu wahren,sondern
ein Botschaftskurier,der Brisantes in seiner Aktentasche transportierte.

Sonst blieb Wien von groesseren Katastrophen verschont,sieht man davon
ab,dass die Reichsbruecke einstuerzte und beim "Weihnachtswunder'nur
die Versicherung zum Schaden kam,die die ausgebrannte Maschine ersetzen
musste.

Jock

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